Durch die Machtübernahme der NSDAP verändert sich ab 1933 die Lebensrealität insbesondere jener Menschen dramatisch, die im Sinne der NS-Ideologie als abweichend und anormal angesehen werden. Mithilfe der Staatsgewalt werden sie von den Nazis systematisch verfolgt, verschleppt und mitunter umgebracht.
Dennoch stellt 1933 keinen vollständigen Bruch zu vorherigen Lebensrealitäten dar. Arbeiter:innen gelten auch zuvor als potentielle Unruhestifter und mögliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit. In der Zeit der Weimarer Republik betrachten das Bürgertum und staatliche Behörden Menschen aus unteren sozialen Schichten misstrauisch; mithilfe von Wohlfahrtseinrichtungen, Polizei und Justiz wird versucht, sie zu disziplinieren und zu kontrollieren.
Auch die Nazis nehmen bereits vor 1933 Arbeiter:innenmilieus gezielt in den Blick: einerseits sind Arbeiter:innen als Mitglieder und Wähler:innen der NSDAP interessant, andererseits fürchten die Nazis die selbstorganisierten Strukturen der Arbeiter:innenbewegung und terrorisieren diese mit Gewalt. Trotz vielfältigem Widerstand gelingt es den Nazis ab 1933 nach und nach die eigenständige Kultur und Strukturen der Arbeiter:innenmilieus gewaltsam zu zerschlagen.
Die Wechselausstellung “Before Night Falls. Alltag, Strukturen und Bruchlinien im Arbeiter:innenmilieu bis 1933” beschäftigt sich mit den Lebenswelten und dem Alltag von Arbeiter:innen im Berlin der Weimarer Zeit: Sie beleuchtet lebenspraktische, kulturelle und politische Zusammenhänge am „Vorabend“ von Hitlers Ernennung zum Reichskanzler. Die Ausstellung hinterfragt auch die Rolle der Arbeiter:innenbewegung und die Art und Weise, wie Nazis Anknüpfungen an die Lebenswelten von Arbeiter:innen suchen.